„Das Ehrenamt IST die Hospizarbeit“

Ein Gespräch mit der Geschäftsführerin des Thüringer Hospiz- und Palliativ­verbands, Ilka Jope, zum Internationalen Tag des Ehrenamts am 5. Dezember

Erfurt, 3. Dezember 2020. Am Samstag ist der Internationale Tag des Ehrenamts. An ihm wird weltweit gewürdigt, dass Menschen sich freiwillig engagieren. Wie unverzichtbar dieses Engagement für unsere Gesellschaft ist, zeigt ein Blick auf die Hospizarbeit: Sie ist überhaupt erst durch das Ehrenamt entstanden und gewach­sen. Anlass für ein Gespräch mit Ilka Jope, die seit 2014 Geschäftsführerin des Thüringer Hospiz- und Palliativverbands ist.

Frau Jope, wie viele Menschen engagieren sich in Thüringen ehrenamtlich in der Hospizarbeit?
Ilka Jope: Es sind etwa 1.500 Ehrenamtliche. Die meisten von ihnen begleiten schwer kranke und sterbende Menschen und ihre Angehörigen. Sie unterstützen aber auch die Ambulanten Hospizdienste bei Büroarbeiten oder bei der Organisa­tion von Veranstaltungen. Viele von ihnen engagieren sich in der Trauerbegleitung, in Trauercafés, in Schulprojekten. Und sie sind in stationären Hos­pizen aktiv und unterstützen dort die Gäste bei Alltäglichkeiten.

In diesem Jahr war in der Hospizarbeit vermutlich vieles anders als sonst?
Ja, das ist so. 2020 und die Pandemie haben uns in sehr besonderer Weise gefor­dert. Ziel des Engagements in der Hospizarbeit ist ja gerade, Isolation und Einsam­keit am Lebensende zu vermeiden. Das Leiden derer zu lindern, die im Sterben besonders verletzlich sind. Und dann werden Besuchs- und Kontaktverbote aus­gesprochen, die genau dazu führen: dass Menschen einsam sterben.

… was gesetzlich betrachtet nicht hätte sein müssen …
Richtig. Im Thüringer Erlass über infektions­schüt­zende Maßnahmen gegen die Aus­breitung des Virus stand von der ersten Fassung an, dass Begleitungen in Pflege­ein­richtungen und Krankenhäusern in begründeten Ausnahmefällen möglich blei­ben. Und wenn es eine begründete Ausnahme gibt, dann doch wohl die, dass da ein Mensch im Sterben liegt! Wir setzen uns als Verband sehr dafür ein, das Wissen um die Inhalte der Ver­ord­nungen an alle beteiligten Akteure weiterzugeben und den Einrichtungen das not­wendige Fingerspitzengefühl für eine gute Balance von Schutz und Begegnung zu vermitteln.

Schärft die Corona-Krise die Sinne für Schwachstellen?
Ich würde sagen, sie schärft die Sinne erneut für die sensible Situation sterbender Menschen. Seit 2010 gibt es in Deutschland die sogenannte Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen. Über ihren Leitsätzen steht die pro­grammatische Aussage: Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen Bedingungen. Und in der Krise sehen wir: Für dieses Recht müssen wir nach wie vor streiten. Auch das haben viele Ehrenamtliche in diesem Jahr getan, sie sind in einem sehr konstruktiven Sinne streitbar gewesen und haben neue Wege entdeckt.

Wie genau?
Mein Eindruck von vielen Kontakten mit ambulanten Hospizdiensten und Gesprä­chen mit den hauptamtlichen Koordinatorinnen ist, dass die Sterbebegleitung viel­fältiger geworden ist. Der persönliche Kontakt wird durch Telefonate und durch Video-Begegnungen aufrechterhalten. Ehrenamtliche schreiben Karten und Briefe, malen Bilder, besprechen Audiodateien, verschicken kleine Geschenke. Es ist für mich wirklich sehr berührend zu erleben, welcher Reichtum an Ideen da aufblüht. Die Krise zeigt also auf interessante Weise zweierlei: Die Hospizarbeit ist fragil und bedarf des unermüdlichen Einsatzes und Schutzes – und ihre Basis, das Ehrenamt, das ist lebendig und widerständig. 

Was tut der Verband, um die Ehrenamtlichen zu unterstützen?
Wir haben ein umfangreiches Angebot an Weiterbildungen, gebündelt in unserer Akademie. Ihr Leiter, Marcus Sternberg, setzt sich sehr dafür ein, Seminare auch in diesen Zeiten zu realisieren. Wir unterstützen die Engagierten, indem wir jederzeit ein offenes Ohr für sie haben – jede und jeder erreicht mich persönlich bei Fragen oder Problemen. Zudem vertritt der THPV die Interessen der Ehrenamtlichen auf Landes- und Bundesebene. Und ganz wichtig: Wir betonen in unserer Öffentlich­keitsarbeit immer wieder, dass es die Hospizarbeit ohne das Ehrenamt nicht gäbe. Das Ehrenamt IST die Hospiz­arbeit.

Welche Ziele hat der THPV für die Zukunft des Ehrenamts?
Wir möchten bunter werden. Eine Studie des Bundesverbands zeigt, dass die Enga­gierten überwiegend weiblich sind, 51 bis 70 Jahre alt, aus der Mittelschicht. Unser Ziel ist es, das Ehrenamt jedem Menschen näher zu bringen, unabhängig vom sozia­len Status, der ethnischen Herkunft, dem Erwerbsstatus oder der Bildung. Und wir möchten offener werden für unterschiedliche Arten von Engagement – da hat dieses Jahr viele Im­pulse gegeben.

Was möchten Sie persönlich den ehrenamtlich Engagierten an diesem Internatio­nalen Gedenktag mitgeben?
Seien Sie weiter kreativ, streitbar und lassen nicht locker!
In einer sehr auf Leistung ausgerichteten Gesellschaft geraten diejenigen schnell aus dem Blick, die vordergründig nicht mehr leisten. Ehrenamtliche sehen den ster­benden Menschen und stellen damit gewissermaßen seinen Platz im Kreis aller sicher. Das ist unendlich wertvoll, denn wir alle werden irgendwann sterben.


Der THPV 

ist der Dachverband für die Hospiz- und Palliativarbeit in Thüringen. Er hat derzeit 50 Mit­glieder, darunter alle ambulanten Hospizdienste, alle stationären Hospize für Erwachsene, mehrere Palliativstationen und Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgungsteams. Zu den Aufgaben des Verbandes zählt es unter anderem, Hospizbewegung und Palliativversorgung in ganz Thüringen bekannt zu machen, das Netzwerk der zahlreichen Hilfsangebote auszubauen und die Interessen der Mitglieder auf Landes- und Bundesebene zu vertreten. Die Akademie des THPV qualifiziert die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter, die in der Hospiz- und Palliativversorgung tätig sind.

Pressekontakt
Iris Hobler
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